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Schlaflos in Kiew.

24.07.2025

Russlands ständige nächtliche Luftangriffe nehmen den Menschen in der Ukraine nicht nur das Gefühl von Sicherheit und im schlimmsten Fall ihr Leben. Sie rauben ihnen auch ein weiteres kostbares Gut: den Schlaf. Mit jeder neuen Angriffswelle kreischen Sirenen und dröhnen Explosionen, und auch wenn die Bomben, Drohnen und Raketen verstummt sind, klingt der Stress noch lange nach. An Schlaf ist nicht zu denken.

So beschreibt es die „Washington Post“, die mit Bewohnern von Kiew über die Bombennächte gesprochen hat. „Die Schlaflosigkeit sorgt dafür, dass man nicht funktionieren kann, weil man einfach keine Energie mehr hat“, erzählte Valeriya Lokhanchenkova der Zeitung. Doch es sei mehr als nur Erschöpfung, sie fühle sich apathisch und depressiv. „Du willst nichts und du planst nichts mehr“, sagt Lokhanchenkova.

Die Zahl ihrer Patientinnen und Patienten mit schweren Schlafproblemen habe sich in den vergangenen eineinhalb Monaten verdreifacht, sagt Olena Poliukhovych, Schlafspezialistin an der Kiewer Universum-Klinik. Sie berichtet von Symptomen wie Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen, Konzentrations-, Gedächtnis- und Appetitverlust sowie Bluthochdruck. Seit Anfang Juni hat Russland seine Nachtangriffe extrem verstärkt.

Kindern mache der Schlafmangel besonders zu schaffen, erklärt Roman Shevchenko vom Schlaflabor des Okhmatdyt-Kinderkrankenhauses in der ukrainischen Hauptstadt. Ununterbrochener Schlaf sei unabdingbar für die Entwicklung des zentralen Nervensystems, Schlaflosigkeit stehe im Zusammenhang mit dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS) und Hyperaktivität.

Wie so oft behelfen manche Menschen in der Ukraine sich mit schwarzem Humor. Ein beliebter Witz macht laut „Washington Post“ die Runde in sozialen Medien: „Ich gehe nicht in den Luftschutzkeller, denn Schlafen ist mir wichtiger als zu überleben.“ Experte Shevchenko fasst es so zusammen: „Wir sind so erschöpft, dass wir uns nicht die ganze Zeit Sorgen machen können.“